Zwischen Gestern und Morgen

(7. April 2025)

Gestern war ich ein unbedeutender Teil einer kleinen Demo zum Anlass des Parteitages der Berliner AfD in Jüterbog.
Einige Demonstrantinnen, einige Polizistinnen.

AfD Funktionäre
so unglaublich schmierig

Diese innere und äußere Haltung

Jetzt schon so reich und fett und so voll von sich selbst.

Und nachdem sie an uns vorbeigegangen waren
und wir ihnen entgegengerufen haben, was wir von ihnen denken

haben sie getagt. Geplant. Wie sie ihre faschistischen Machtfantasien real machen.
Fantasien, die jetzt schon real sind.

Als ich mir die Polizistinnen ansah, fragte ich mich, was wohl in ihnen vorgeht.

Sie erfüllen ihre wichtige Aufgabe in einer funktionierenden Demokratie. Das tun sie.

Sie machen mit.

Auch noch, wenn die AfD nicht nur unsere Politik von hinten lenkt, sondern die nächste Regierung bildet?

Fast alles, was Hitler getan hat war legal.

Die Polizistinnen erfüllen ihre wichtige Aufgabe in einer funktionierenden Demokratie.

Diese Demokratie ist uns heilig, denn wir kennen die Alternative.

Je länger ich da stand fragte ich mich: wie heilig? Wann ist eine Demokratie keine Demokratie mehr?

Ich frage meine Kinder manchmal, wieviel Sandkörner einen Berg machen? Unklar. Unscharf.

ANGST und GEFAHR!

Das fühlen wir heimlich alle. Wir wissen, dass unsere Kinder eine Klimaapokalypse durchleben werden.

Das wissen wir.

Und fahren Auto.

Wir wissen, dass unsere Gesellschaft sich nicht entspannen wird. Sie wird radikaler. Immer noch radikaler. Radikal empathielos.

Wieso? Weil wir keine Empathie für uns selbst haben können. Denn wir würden über unser Ohnmachtsgefühl und unsere Mitläuferei verzweifeln. Und so verkümmern wir unbewusst unsere Empathie. Für uns und für andere.

Am Ende

(8. April 2025)

Wenn ich alt bin,
wenn ich auf mein Leben zurückblicke,
will ich mir in die Augen sehen können.

Ich frage mich oft:
Was werde ich dann denken?
Werde ich sagen:
Ich habe getan, was ich konnte?
Oder werde ich schweigen müssen?

Denn ich sehe, was passiert.
Ich spüre, wie sich alles verändert.
Wie sich Kälte breitmacht.
Wie der Ton härter wird.
Wie Menschen sich wieder fürchten –
vor dem, was sie sind.
Vor dem, was andere aus ihnen machen.

Der Faschismus kommt nicht mit Marschmusik und Fackeln –
er kommt leise, in Anzügen, im Bundestag, in Jeans, im Alltag.
Er kommt, während wir arbeiten. Wenn wir müde sind. Während wir schlafen.

Wir schlafen.

Wenn wir uns – in den unendlichen Weiten unserer eigenen kleinen Welt – verausgaben und ausruhen.

Und ich sehe, wie wir stillhalten.
Wie wir hoffen, dass es vorbeigeht.
Dass es nicht so schlimm wird.
Dass jemand anderes schon etwas tun wird.

Wir haben uns eingerichtet.
In kleinen Kreisen. Mit Freundschaft. Mit Vertrauen.
Wir haben einander –
und das hat uns getragen.
Das hat uns genügt.

Wir haben gedacht:
Solange wir uns nah bleiben,
solange wir anständig bleiben,
solange wir füreinander da sind –
kann uns das Draußen nichts anhaben.

Der große Moment

(10. April 2025)

Es gibt eine Wahrheit, die leicht zu vergessen ist.
Eine Wahrheit, die unscheinbar wirkt.
Die schwach erscheint, weil sie leise ist.
Aber sie bleibt.

Erinnere Dich hieran:
Liebe ist stärker als Angst.
Hoffnung überdauert Zynismus.
Und Nähe ist kein Zufall –
sie ist eine Entscheidung.

Die Welt wird kälter, wenn wir sie lassen.
Beziehungen brechen, wenn wir sie nicht nähren.
Freiheit stirbt, wenn wir sie für selbstverständlich halten.

Und doch:
Wir sehnen uns nach Verbindung.
Wir brauchen Nähe.
Wir wollen glauben.
Wir hoffen.

Aber Hoffnung ist nicht Warten.
Liebe ist nicht Besitz.
Vertrauen ist kein Zustand –
es ist ein Vorgang.
Ein Wagnis.
Ein Schritt nach dem anderen.

Von der Größe der Verzweiflung fast verschwunden denkst Du noch:
Du kannst nichts tun.
Du bist zu klein.
Es ist zu spät.
Aber wisse dieses:
Du kannst immer wieder versuchen.

Leo Trotzki

Porträt des Nationalsozialismus

(10. Juni 1933)

»Und Trotzki, der prachtvolle Sachen schreibt, die ja durch die Weltpresse gehn und nicht der WB (›Weltbühne‹) gehören. Neulich ein ›Porträt des Nationalsozialismus‹, das ist wirklich eine Meisterleistung. Da stand alles, aber auch alles drin. Unbegreiflich, wie das einer schreiben kann, der nicht in Deutschland lebt. Konklusio: Krieg oder Revolution. Ich weiß das nicht. er weiß mehr und kann mehr, der Trotzki.«

Kurt Tucholsky (25. Juli 1933)

Naive Leute glauben, die Königswürde stecke im König selbst, in seinem Hermelinmantel und in der Krone, in seinem Fleisch und Bein. Aber die Königswürde ist ein Verhältnis zwischen Menschen. Der König ist nur darum König, weil sich in seiner Person die Interessen und Vorurteile von Millionen Menschen widerspiegeln. Wenn dieses Verhältnis vom Strom der Ereignisse weggespült wird, erweist sich der König bloß als ein verbrauchter Herr mit herabhängender Unterlippe. Davon dürfte, aus frischen Erlebnissen, jener erzählen können, der sich einst Alfons XIII. nannte.

Der Unterschied zwischen dem Führer von Gottes und dem von Volkes Gnaden ist der, daß dieser darauf angewiesen ist, sich selbst den Weg zu bahnen oder wenigstens den Umständen zu helfen, ihn zu entdecken. Aber jeder Führer ist immer ein Verhältnis zwischen Menschen, ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage. Die Erörterungen über die Persönlichkeit Hitlers sind um so hitziger, je mehr man das Geheimnis seines Erfolges in ihm selbst sucht. Doch ist es schwer, eine andere politische Gestalt zu finden, die in einem solchen Maße Knoten unpersönlicher geschichtlicher Kräfte wäre. Nicht jeder erbitterte Kleinbürger könnte ein Hitler werden, aber ein Stückchen Hitler steckt in jedem von ihnen.

Das rasche Wachstum des deutschen Kapitalismus vor dem Kriege bedeutete bei weitem nicht die einfache Aufreibung der Mittelklassen; während er einzelne Schichten des Kleinbürgertums zugrunderichtete, schuf er wieder neue: Handwerker und Krämer um die großen Betriebe herum, Techniker und Angestellte in den Betrieben. Aber während sie sich zahlenmäßig hielten – das alte und das neue Kleinbürgertum umfaßt nicht viel weniger als die Hälfte des deutschen Volkes -, büßten die Mittelklassen den letzten Schatten von Selbständigkeit ein: sie lebten am Rande der Schwerindustrie und des Bankensystems, sie aßen die Brosamen vom Tisch der Kartelle, sie lebten von den geistigen Almosen ihrer alten Theoretiker und Politiker.

Die Kriegsniederlage verbaute dem deutschen Imperialismus den Weg. Die äußere Dynamik verwandelte sich in die innere, der Krieg ging in die Revolution über. Die Sozialdemokratie, die den Hohenzollern geholfen hatte, den Krieg bis zum tragischen Ende zu führen, verbot dem Proletariat, nun seinerseits die Revolution bis zum Ende zu führen. Vierzehn Jahre vergingen unter beständigen Entschuldigungen der Weimarer Demokratie für ihr eigenes Dasein. Die Kommunistische Partei rief die Arbeiter zu einer neuen Revolution, erwies sich aber als unfähig, sie zu führen. Die deutschen Arbeiter gingen durch die Siege und Zusammenbrüche des Krieges, der Revolution, des Parlamentarismus und des Pseudobolschewismus. Während die alten bürgerlichen Parteien sich restlos verausgabten, war zugleich die Bewegungskraft der Arbeiter gebrochen.

Das Nachkriegschaos traf die Handwerker, Krämer und Angestellten nicht weniger heftig als die Arbeiter. Die Landwirtschaftskrise richtete die Bauern zugrunde. Der Verfall der Mittelschichten konnte nicht ihre Proletarisierung bedeuten, da ja im Proletariat selbst ein riesiges Heer chronisch Arbeitsloser entstand. Die Pauperisierung der Mittelschichten – mit Mühe durch Halstuch und Strümpfe aus Kunstseide verhüllt – fraß allen offiziellen Glauben und vor allem die Lehren vom demokratischen Parlamentarismus.

Die Vielzahl der Parteien, das kalte Fieber der Wahlen, der fortwährende Wechsel der Ministerien komplizierten die soziale Krise (durch das Kaleidoskop unfruchtbarer politischer Kombinationen. In der durch Krieg, Niederlage, Reparationen, Inflation, Ruhrbesetzung, Krise, Not und Erbitterung überhitzten Atmosphäre erhob sich das Kleinbürgertum gegen alle alten Parteien, die es betrogen hatten. Die schweren Frustrationen der Kleineigentümer, die aus dem Bankrott nicht herauskamen, ihrer studierten Söhne ohne Stellung und Klienten, ihrer Töchter ohne Aussteuer und Freier, verlangten nach Ordnung und nach einer eisernen Hand.